Ein kurzer gedanklicher Einstieg zum Umgang mit Bullen
Männliche Rinder sind von ihrem biologischen Instinkt her auf Kampf ausgerichtet – entweder mit ranghöheren Bullen, um im Rang aufzusteigen oder mit rangniedrigeren Bullen um die Stellung zu halten.
Ziel ist in erster Linie die Fortpflanzung, als zweites kommt die territoriale Absicherung. Das Anführen der Herde übernehmen Kühe, die Verteidigung vor allem die mit kleinen Kälbern. Natürlich wäre, dass der Bulle immer mit den Kühen mitläuft und die brünstigen deckt.
Bullen kämpfen, indem sie versuchen, sich gegenseitig – Stirn an Stirn – wegzudrücken. Der schwächere wird quasi weggeschoben.
In so eine Situation will ich mit Bullen nie kommen:
Wichtig im Umgang mit Bullen ist deshalb, dass man sie nie von vorn konfrontiert. Sie sollten ihren Respekt vor den Menschen behalten und nie auf die Idee kommen, über das Kräftemessen zu testen, ob der Mensch schwächer ist. Das endet tödlich, wenn der Mensch sich nicht in Sicherheit bringen kann.
Um den Bullen nicht zu konfrontieren, sollte man sich stets von schräg hinten annähern, sodass der Bullen einen noch sehen kann, man sich aber in einer treibenden Position nähert.
Jungbullen, besonders die mit der Flasche aufgezogenen, sollten lernen, zu weichen, wenn der Mensch mit Impulsen Druck ausübt. Auch wenn man sie als Kalb zähmt, können sie Respekt lernen – jede Kuh wird ihr Kalb mit etwa einem Jahr sehr deutlich Manieren beibringen, es impulsiv wegschicken. Der Ranghöhere in der Herde treibt immer und lockt nie, bettelt und hofft schon gar nicht.
Mit knapp einem Jahr werden Bullen geschlechtsreif und fangen an, die Souveränität des Menschen zu testen. Häufig werden Bullen im Alter von 1,5 bis 2 Jahren bereits geschlachtet, weil sie den Menschen nicht mehr respektieren.
Auch wenn sie zahm und flauschig sind, ist Streicheln im Kopfbereich demzufolge keine gute Idee, denn man provoziert Anlehnungsversuche oder Kopfstöße. Kraulen im Hals- oder Schulterbereich ist angebrachter.
Generell sollte man sich überlegen, ob es fair ist, ein Tier zu streicheln, das im Fressgitter fixiert ist und dem man somit nicht frei begegnet.
November 2011 – Zur Erklärung, warum Bullen keine Kuscheltiere sind.
Für die Eltern der mitarbeitenden Menschen mit Behinderungen auf dem Auenhof
Eine kleine Episode
Eine Praktikantin fand den roten Zuchtbullen so besonders. Er war auch ganz interessiert und so entwickelten sie eine enge Beziehung durch den Zaun. Immer wenn sie kam, ging er zum Zaun und ließ sich von ihr am Kopf streicheln. Wahre Freundschaft?!
Um die nächste Decksaison einzuleiten, sollte der rote Bulle wie jedes Jahr verladen werden. Die Herdenmanagerin baut Gitter auf, denkt nicht mehr an die Praktikantin, geht rein und der Bulle kommt (natürlich) auf sie zu – ohne Zaun dazwischen nicht mehr so angenehm! Die spontane Reaktion war ein Schlag auf die Nase und der Bulle wich wieder. Nach bewusstem Training gewöhnte er sich die Annäherung an den Menschen auch schnell wieder ab.
Die nächste Praktikantin wird besser eingewiesen und kann gern streicheln, wenn dann aber ohne Zaun dazwischen – wenn sie sich das traut!
Nähert sich nämlich der Mensch an und wird der Bulle nach jedem Streicheln auch wieder weggetrieben, sollte es nicht so schnell zu Angriffsproblemen kommen.